High School in USA

Markus - Idaho, Athol

Nun war es also soweit. Tatsächlich war ich neugierig, und vor allem mutig genug gewesen, den Entschluss zu fassen, zehn Monate lang in den Vereinigten Staaten von Amerika, bei einer völlig fremden Familie, einer völlig neuen Umgebung und in generell völlig neuen Verhältnissen zu leben.

Dieser Entschluss, der mein Leben für zehn Monate verändern sollte, war nicht leicht zu fassen. Dieser Entschluss bedeutete, meine Familie, meine Freunde, meine Schule, eigentlich alles, was mein Leben bisher bestimmt hatte, für zehn Monate zu verlassen. Dieser Schritt ist wohl der schwerste für jeden Austauschschüler und oft der Grund, warum einige erst gar nicht ins Ausland gehen wollen. Meiner Erfahrung nach ist es den Umstand eindeutig wert, diesen Schritt zu wagen und hinter sich zu bringen. Denn es zahlt sich aus. Wirklich.

Schneller, als ich gucken konnte, stand ich auch schon am Frankfurter Flughafen, mit meinen Koffern in der Hand und meiner Familie im Schlepptau. Ich hatte schon ein paar Dinge gehört von meiner Gastfamilie, denn ich hatte mit meiner Gastmutter einen Monat vor meiner Abreise via Emails Kontakt aufgebaut und wir haben uns hin und wieder geschrieben. Nun hieß es Abschied nehmen. Ich versuchte mich zusammenzureißen. Ich kämpfte gegen die Tränen, umarmte jeden meiner Familie liebevoll und innig und ging.

Einige Minuten nach dem Abschied ging es mir auch schon viel besser. Das Schlimmste war überstanden und die hoffnungsvolle Euphorie stieg wieder in mir auf. Ich war bereit. Nach vielen Stunden Flug und einem Umsteigen in Denver landete ich in Idaho, dem Ort, der die nächsten zehn Monate mein Zuhause sein sollte. Der Flughafen schien wie leer gefegt. Es war nachts und ich war todmüde. Die Müdigkeit verschwand jedoch abrupt, als ich zum ersten Mal meine Gastfamilie mit eigenen Augen sah. Da war sie also, meine Gastfamilie, mit der ich nun die nächsten zehn Monate die Zeit verbringen würde.

Wir fuhren im Auto, das auf mich wie ein Schlachtschiff wirkte, da ich ja eher die Sprit sparenden Kleinwagen aus Deutschland gewohnt war, nach Hause. Meine Familie durchlöcherte mich mit Fragen und das um ein Uhr morgens, nach unzähligen Flugstunden. Später lachte ich darüber. Nach einer einstündigen Autofahrt bekam ich nun zum ersten Mal unser Haus und unsere drei Hunde zu sehen. Zudem hatten wir ein riesiges Grundstück, was für mich ebenfalls ungewohnt war. So war also der Einstieg in mein Leben als deutscher Austauschschüler in den Vereinigten Staaten von Amerika, tausende Kilometer entfernt von meinem deutschen Zuhause.

Ich hatte noch zwei Wochen Ferien, in denen ich meine Familie besonders gut kennen lernen konnte. Wir verstanden uns alle prächtig. Es wurde viel gelacht und wir alle hatten Spaß miteinander. Meine Gastfamilie hatte mir einen herzlichen Empfang bereitet und sie kümmerte sich sehr liebevoll um mich. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, eine so nette Gastfamilie bekommen zu haben. Anfangs fiel es mir nicht leicht, den amerikanischen Akzent zu verstehen, jedoch sprachen alle extra langsam und deutlich für mich. Nach nur zwei Wochen hatte ich mich schon total daran gewöhnt.

Nachdem die zwei Wochen vergangen waren, hieß es nun „Ab in die Schule!“ Mein erster Schultag verlief reibungslos. In den darauf folgenden Wochen lernte ich viele neue Freunde kennen und irgendwie schienen sich alle für mich zu interessieren. Nach nur einem Monat kannte mich schon die halbe Schule, was aber wahrscheinlich auch daran lag, dass sie nur über ca. 400 Schüler verfügte. Ich war nun der berüchtigte „German Exchange Student“, von dem alle wussten.

Was auch noch neu war und mit dem ich mich nur schwer identifizieren konnte, war die amerikanische Kirche. Wir gingen jeden Sonntag in die Kirche und hörten uns die Predigt von Pfarrer Jim an, für die ich mich leider nie begeistern konnte, jedoch wusste ich, dass man sich als Austauschschüler nun mal integrieren und anpassen muss, auch wenn es nicht immer so einfach ist. So nahm mein amerikanisches Leben als Austauschschüler seinen Lauf.

Im ersten Schulmonat hatte ich nach der Schule immer Cross-Country Training, was soviel wie Ausdauer-Laufen im Freien ist. Dabei lernte ich das ganze Team kennen, alle waren, wie eigentlich alle Amerikaner, sehr aufgeschlossen und nett. In der Schule wurden viele Aktivitäten, welche nach Unterrichtsschluss stattfanden, angeboten. Ich entschied mich Mitglied im „First Robotics Club“ zu werden. Hier hatte ich viel Spaß mit dem Entwickeln unseres Roboters und der Zusammenarbeit mit meinen Schulkameraden. Highlight dieses Clubs war, dass das ganze Team aufgrund einer großzügigen Spende eines privaten Unternehmens nach Phoenix, Arizona, flog, um an einem internationalen Roboterwettkampf teilzunehmen.

Im Frühjahr machte ich dann Track (Leichtathletik). Das Team war riesig und wir alle hatten sehr viel Spaß. Abermals schloss ich viele neue Freundschaften. Das Engagement der Trainer, die Lehrer unserer Schule waren und das Ganze freiwillig machten, war beeindruckend. Die Schule hat mir im Großen und Ganzen wunderbar gefallen. Die Lehrer waren sehr bemüht, die Schüler sehr nett und das Aktivitätenprogramm sehr vielfältig.

Meine Graduation (Abschlussfeier) gegen Ende meines Auslandsaufenthalts war wohl die größte Veranstaltung, die ich in meinem Jahr in den USA erlebte. Es wurden Bilder aller Schüler in einer Diashow auf eine große Leinwand projiziert, Reden mehrerer Schüler über ihre Erfahrungen in der Schule gehalten und anschließend Diplome an die Schüler verteilt. Alles war vorher sorgfältig einstudiert worden, damit am großen Tag auch alles klappt. Am Abend nach der Abschlussfeier fuhren alle Schulabsolventen mit dem Bus in eine Art Freizeitpark, in dem Bowling gespielt, Kart gefahren, geschwommen und an verschiedenen Spielautomaten gespielt werden konnte. Dort blieben wir bis zum Morgengrauen. Alles war kostenlos, für Trinken und Essen war ebenfalls gesorgt. Einige Eltern hatten all das organisiert, damit sich die Schüler nicht nachts auf Partys betrinken, um ihren Schulabschluss zu feiern. Jährlich sterben nämlich amerikanische Schulabsolventen am Abend ihrer Graduation, weil sie betrunken von Partys mit dem Auto nach Hause fahren.

Die 10 Monate vergingen wie im Flug. Der Abschied war schmerzlicher als gedacht. Es war wirklich sehr schwer, mich von meinem amerikanischen Leben zu trennen, weil es einfach so wunderschön gewesen ist, jedoch freute ich mich auch schon riesig auf Deutschland, auf das nach Hause kommen.

Mein Jahr in den USA war eine wundervolle Erfahrung, auf die ich gerne zurückblicke. Ich bin sehr glücklich, dass ich mich dazu entschieden hatte, das Auslandsjahr zu machen, denn meine Erfahrungen werden mich mein Leben lang begleiten. Ich habe so viel in diesen zehn Monaten erlebt, wie ich es in mehreren Jahren in Deutschland erleben würde. Außerdem hat sich mein Englisch radikal verbessert. Ich war immer sehr schwach im Schulfach Englisch. Nun bin ich im Englisch-Leistungskurs und komme bestens klar. Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick in mein Auslandsjahr geben. Jedem, der überlegt ein Jahr ins Ausland zu gehen, kann ich nur zusprechen und empfehlen es zu tun. Es ist die richtige Entscheidung.