High School in Kanada

Felicitas - Saskatchewan, Saskatoon

"Hey Feli, if you're not too tired, there's a football game in town - you wanna go?"

Das war das erste, was meine Gastfamilie am Flughafen zu mir sagte. Natürlich war ich nicht zu müde, und so startete ich mein Auslandsjahr im Football Stadion mit einem Burger in der einen und einem Kakao in der anderen Hand, als hätte ich nie etwas anderes getan.

Wie man sieht, hat mich meine Familie von Anfang an so herzlich und offen aufgenommen, als wäre ich eine alte Bekannte und nur mal eben für ein Wochenende weg gewesen.

Daran hat sich auch im Laufe der gesamten zehn Monate nichts geändert. Schnell hat sich ein gemeinsamer Rhythmus entwickelt, die erste Scheu verschwand innerhalb der ersten zwei Tage, und es dauerte nicht lange, bis es hieß: "Our house is your house, our family is your family".

Derart motiviert, betrat ich nach zwei Wochen zum ersten Mal die Bethlehem Highschool. Die EAL Abteilung (English as an Additional Language) nahm mir mit ihrer freundlichen Art sofort jede Sorge vor der fremden Schule und stellte mich sogleich auch den anderen Austauschschülern vor, worauf sich schon an diesem Tage die ersten Freundschaften bildeten. Ein so fürsorglicher und geduldiger "Fels in der Brandung" ist definitiv sehr viel wert bei einem Auslandsjahr, denn man muss sich an die kanadische Highschool durchaus erst einmal gewöhnen! Anders als bei uns gilt die Schule nicht nur als Lerninstitution. Highschool, das soll Spaß sein, Engagement, Gemeinschaft, individuelle Entfaltung. Dass die Leistungserwartungen dabei sehr viel niedriger geschraubt sind, kann für insbesondere europäische Schüler sehr verwirrend und fremd sein. Hat man sich jedoch einmal von dem Gedanken gelöst, dass man die Schule dort so fortführen muss wie hier in Deutschland – dann geht Highschool richtig los! Drama wird angeboten? Super, wird gemacht. Schul-Musical? Bin dabei! Eine Skifreizeit in der Nachbarprovinz? Aber hallo! Badminton? Bin zwar nicht sportlich, aber was soll's. Die Highschool bietet Mengen an sozialem Engagement und Spaß. Um das alles in vollen Zügen zu genießen, habe ich jede Gelegenheit, die mich auch nur halbwegs interessiert hat, beim Schopf gepackt – so lernt man die Leute kennen, dadurch bilden sich Freundschaften, die weit über bloße Nettigkeit hinaus gehen.

Auch meine Familie zeigte mir so richtig den Canadian Way of Life! Sie besitzen eine Cabin sechs Stunden nördlich von Saskatoon, mit anderen Worten, eine Blockhütte am See mitten im Wald. Das ist das ultimative kanadische Erlebnis: Kein fließendes Wasser, kein Strom, kein Kontakt zur Außenwelt, einfach nur das Leben genießen. Ich hatte das Glück, dreimal für je vier Tage hinfahren zu dürfen: Im Herbst, im Winter (bei minus 35° C, ein Erlebnis ohnegleichen!) und kurz vor meiner Abreise im Sommer. Die Welt hätte untergehen können und wir in unserer Cabin hätten es nicht gemerkt. Familienleben spielte eine große Rolle im Alltag. Über die Wintermonate zum Beispiel nahmen wir zwei weitere Austauschstudenten auf, dazu noch jede Menge Verwandte meiner Familie. Wir waren 12 Menschen und vier Hunde in einem relativ kleinen Haus – worüber ich mich hier womöglich noch beschwert hätte, erschien mir dort plötzlich wunderschön und lebhaft.

Was ich von diesem Jahr mitgenommen habe, ist nicht nur das dicke Fotoalbum mit all den Bildern und Erinnerungen drin, sondern vor allem auch ein ganz persönliches Wachstum. So bin ich zum Beispiel in vielen Dingen gelassener und entspannter geworden – so wird es sehr viel einfacher, sich auf die Mitmenschen, die Umgebung und die eigenen Ziele einzulassen.

Dadurch, dass ich jetzt fast ein Jahr weg war und auch ein bisschen durch "kanadische" Augen sehen kann, nimmt man viele Dinge ganz anders wahr als zuvor, gehe es um Meinungsbildung, Weitblick oder Werte.

Alles in Allem ist dieses Jahr, beginnend mit Jetlag und Burger beim Footballspiel, das Beste meines Lebens gewesen. Diese Erinnerungen und Erfahrungen kann mir keiner mehr nehmen – und um keinen Preis würde ich sie hergeben wollen.

Felicitas, 10 Monate in Saskatoon, Saskatchewan, Canada, August 2010 - Juli 2011