High School in Kanada

Jacqueline - British Columbia, Langley

Gewinnerin des Essay-Wettbewerbs 2010/2011!

In den Vorbereitungsseminaren erfahren alle Teilnehmer, dass ein Auslandsjahr nicht immer planmäßig verläuft und man auch auf Unerwartetes gefasst sein muss. Jacqueline hat in Kanada solch einen Moment erlebt und sehr anschaulich beschrieben, wie sie ihn zusammen mit ihren Gasteltern gemeistert hat. Mit ihrem Beitrag wurde sie die Gewinnerin des Essay-Wettbewerbs 2010/2011. Herzlichen Glückwunsch, Jacqueline!

Special days off

Es war Winter. Draußen bedeckte eine kleine weiße Schneeschicht die Einfahrt meiner Gasteltern. Von meinem Zimmer im 1. Stock war fast die ganze Straße zu sehen. Noch nie hatte ich es so deutlich gesehen wie jetzt: Kanada war eine wunderschöne Gegend.

Von dem Fenster ging ich zu meinem Bett zurück. Mein Bauch zwickte, meine Schläfe pochte. Ich hatte massive Bauchschmerzen und konnte diese Schmerzen einfach nicht länger aushalten. Ich stand auf und lief ein bisschen auf und ab, in der Hoffnung, diesen Schmerz zu stoppen. Ich hatte zwar schon öfter mal Bauchschmerzen gehabt, doch noch nie so massiv, dass ich es einfach nicht mehr aushalten konnte. Die Uhr zeigte inzwischen schon ein Uhr morgens. Wäre es in Ordnung, jetzt meine Gasteltern zu wecken? Ich war mir unsicher. Doch schließlich trieb mich die Qual vor ihre Tür. Gekrümmt wartete ich an der Tür, wartete auf ihre Reaktion. Als die Tür sich öffnete und meine Gastmutter mich mitleidig umarmte, fühlte ich mich sofort geborgen. All meine Sorgen, die ich mir gemacht hatte, kamen mir fast peinlich vor. Mein Gastvater erkundigte sich nach meinen Schmerzen und entschied, sicherheitshalber sofort ins Krankenhaus zu fahren. Mit letzter Kraft stieg ich in das Auto ein. Als wir einen Parkplatz erreichten, wusste ich nicht, wie lange wir gefahren waren oder wo wir waren. Das Einzige, was ich sicher wusste, war, dass ich mich in Sicherheit befand. Vielleicht klingt das jetzt sentimental, aber genau in diesem Moment fühlte ich mich richtig geborgen.

Im Wartezimmer des Krankenhauses war nicht viel los. Bis ich endlich aufgerufen wurde, versuchten meine Gasteltern mich mit alten Geschichten aus ihrem Leben aufzumuntern. Ich kann mich zwar nur noch vage an diese erinnern, aber das ist auch nicht das Wichtigste daran. Viel bedeutender als der Inhalt waren ihre Stimmen. Die Stimmen, die mir inzwischen schon so vertraut waren, die mich in dieser Situation einfach nur beruhigten. Selbst als ich ausgelaugt auf einer Liege saß, erzählten sie weiter, bauten sie mich auf. Mit viel Ruhe stellte der Arzt mir die wichtigsten Fragen und hatte überhaupt kein Problem, dass ich manches Mal wirklich lange brauchte, bis er mich verstand. Meine Gastmutter begleitete mich auf dem Weg durchs Krankenhaus überall hin, sodass ich überhaupt kein Gefühl von Angst oder Fremde hatte. Irgendwann stand dann auch endlich die Diagnose fest. Irgendetwas, was wohl nicht schlimm sei, wenn man es in den nächsten 24 Stunden operieren würde. Meine Gasteltern fanden diesen Schritt notwendig und okay, riefen aber zur Sicherheit noch einmal meine Eltern an. Diese stimmten ihnen wohl auch gleich zu. Zusammen mit zwei so lieben Menschen an meiner Seite wartete ich also auf meine OP. Der Arzt kümmerte sich total nett und erklärte mir genau, was gemacht wird. Viel später erfuhr ich durch Zufall, dass meine Gasteltern während meiner OP unzählige Formulare ausfüllten und gleichzeitig meine Eltern immer auf dem Laufenden hielten. Und das Krankenhaus verlassen hatten sie wohl erst, als sie sicher wussten, dass die Operation gut verlaufen war und ich nur noch ausschlafen würde. Ich denke, ich kann so glücklich sein, sie gehabt zu haben. Ihre Unterstützung war einfach Gold wert.

Irgendwann erwachte ich schließlich, ahnungslos, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, aber mit der besten Aussicht aus dem Fenster. Dieser Augenblick wird immer in meiner Erinnerung bleiben. Ich lag zwar noch geschwächt in meinem Bett, aber das, was ich durch die Fensterfront sah, ließ mich alles vergessen. Es war wie gemalt, einfach wunderschön, wie die Sonnenstrahlen den Schnee berührten, wie das Licht die Dächer der Stadt streifte und wie die so ruhige, aber fast mit Liebe gefüllte Landschaft da lag. Es war wohl der beste Beginn des Tages, an dem ich noch entlassen werden und erfahren würde, dass das, was die Ärzte heraus operiert hatten, nur mein Blinddarm war…

Von Jacqueline R.